Heidelberger Geographische Gesellschaft e.V.
Dienstag, 23. Mai 2017, 19:15 Uhr
Prof. Dr. Hermann Kreutzmann (Freie Universität Berlin)
Das Ferganatal in Zentralasien. Wasser als Machtfaktor
Das Ferganatal ist ein altbesiedelter und fruchtbarer Kulturraum, der aus den vom Tien Shan (Himmelsgebirge) stammenden Gletscherschmelzwässern des Syr Darya versorgt wird. Seit der zaristischen Kontrolle über weite Teile Zentralasiens wurden Pläne entwickelt, das bestehende Bewässerungssystem großmaßstäbig auszubauen. Erst in der sowjetischen Periode, als modernisierungstheoretisch inspirierte Großprojekte im Zusammenspiel mit der Kollektivierung umgesetzt wurden, erfolgte der Ausbau für das ‚weiße Gold‘ Zentralasiens, für den Baumwollanbau. Der Übergang von einer zentral geplanten Wirtschaft und übergeordneten Ordnungsmacht zu eigenständigen Staaten war eine Zäsur, die eine gesellschaftliche und sozioökonomische Transformation aller Lebensbereiche auslöste. Nach der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Republiken vor mehr als 25 Jahren wurde das Ferganatal vor große Herausforderungen der Marktöffnung und Reorganisation des Bewässerungssystems gestellt. Geteilt in nun drei unabhängige Staaten - Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan - erwies sich die Wasserversorgung für die Unterlieger als problematisch. Usbekistan, der wichtigste zentralasiatische Baumwollproduzent, ist auf die Versorgung mit Syr Darya-Wasser aus Kirgisien angewiesen. Ein Konflikt war absehbar und ist eingetreten, zumal die nun unabhängigen Staaten eigenen Politiken und Planungen verfolgen. Internationale Mediation sowie Maßnahmen zum sparsameren Umgang mit Wasser gehören zum Repertoire der Konfliktlösungsmechanismen. Der Vortrag wird die Rahmenbedingungen und historische Verankerung einer pfadabhängigen Entwicklung nachzeichnen und die Gegenwartsherausforderungen im Kontext der unterschiedlichen Akteure und Begrenzungen beleuchten.